Music & Poetry brachte spätsommerliches Vergnügen

Ein spätsommerlicher Abend voller Poesie und Musik: Fünf Slam-Poetinnen und -Poeten und die Band „Firecracker“ verzauberten die über 160 Gäste im Hof des Kommandantenhauses.

Zum sechsten Mal lud die Kulturstiftung Rhein-Neckar-Kreis in Zusammenarbeit mit „WORD UP!“ nach Dilsberg ein. Statt klassischem Poetry-Slam-Wettbewerb verschmolzen Musik und Literatur an diesem Abend. “Sie können sich entspannt zurücklehnen und genießen.“, sagte Ute Zedler, die stellvertretende Vorsitzende der Kulturstiftung Rhein-Neckar-Kreis.

Über den Köpfen der Zuhörer spannte sich ein helles Segeltuchdach; das Mauerwerk leuchtete bei Einbruch der Dunkelheit in bunten Farben. Eine traumhafte Atmosphäre.

Moritz Konrad moderierte durch das Programm und ließ das Publikum zwischen den Auftritten an seinen Alltagsbeobachtungen teilhaben. Als Erstes übte er den Punkte-Applaus. Das klappte wunderbar! Mit einem 10-Punkte-Applaus klatschten die Gäste die Musiker von „Firecracker“ auf die Bühne. Saxophonistin Dorothee Leschhorn und Gitarrist Bert Lederer eröffneten mit einer ausdrucksstarken Ballade. Die ursprüngliche Band „Decartier“ fiel krankheitsbedingt aus und die beiden Musiker sprangen spontan ein. Sie sind eigentlich zu viert in ihrer Band.

Julie Kerdellant aus Landau begann als erste Poetin mit dem Thema Altwerden. Sie entdeckte kürzlich ihr erstes graues Haar. Für die meisten Frauen ein Schreck, für sie ein Grund zur Freude: „Jetzt fängt das Leben an.“ Wortgewandt erzählte sie, warum sie Bock auf das Altwerden hat und was sie dann alles darf: opulente Nachtische genießen, anderen im Weg stehen, auf die Jugend schimpfen, Namen vergessen und Meckern.

Adrian Mulas brachte mit seiner Tier- und Gemüselyrik Lachtränen ins Publikum. Auf den Mett-Igel folgte die „Tragische Ballade über Willi, die Weinbergschnecke, die keinen Alkohol mochte.“ Das Leben am falschen Ort stürzt das Tier in großes Leid, bis Willi auf die Krähe Karl trifft. Der Fressfeind zeigt sich erstaunlich interessiert am Schicksal der Schnecke. Am Ende hilft er ihr sogar ins Glück. Glück hatte auch Gurke Gisela. In der „Die Ballade von den krummen Gurken“ spazierte Adrian Mulas durch einen Supermarkt und blickte auf vollgestopfte Regale. Im Gemüseabteil entdeckte er Gisela, die krumme Gurke. Gemobbt vom Normgemüse überlebt sie dank Lebensmittelrettern und landet an einem Ort, wo Essen wertgeschätzt wird.

Anuraj Rajarajendran fragte das Dilsberger Publikum nach seinen Aktivitäten auf TikTok, Instagram und Facebook. „Aber Farbfernsehen habt ihr schon? “, kommentierte er belustigt und leicht irritiert das dürftige Ergebnis. In seinem Text „10 von 10“ berührte der Landauer mit seinen Worten über seelische Narben, Tagträumereien und Unsicherheiten, den eigenen Lebensweg zu finden. Als Duo „Die Quote“ stritten er und Julie Kerdellant energisch darüber, wer von ihnen mehr Diskriminierung erfährt: Sie als Frau, die Frauen mag, oder er, dessen Herkunft sein Leben prägt.

Paulina Etzel reiste zunächst zu einem Familientreffen in den Schwarzwald. Dort warteten anstrengende Tanten, ein Traum von teuren Kuckucksuhren, Globuli, ein Radiomoderator und zu viel Wein auf sie. Danach begleitete sie ihren fünfjährigen Bruder zum Tennistraining, wo sie auf die Spezies „Sport-Eltern“ traf. Sie war sofort fasziniert von den überehrgeizigen, lauten Kreaturen am Spielfeldrand.

Jonas Neuhäußer nahm in seinem ersten Text „Beaf“ die Männlichkeit beim Kochen genauer in den Blick. Dabei half ihm die Lektüre aus dem Magazin „Fleisch und Männlichkeit“. Der Tipp für alle Lebenslagen: „Iss Fleisch!“. In seinem zweiten Text blickte er als Aldi-Kassierer kritisch auf die Kunden: endlosen Fragen, Meckereien, unerwarteter Diebstahl und ein bisschen Wahnsinn.

Ausdrucksstark, frech, emotional, humorvoll und nachdenklich: die Künstlerinnen und Künstler boten ein abwechslungsreiches Zuhörvergnügen und neue Blickwinkel. Das gelungene Wechselspiel mit den Pop-Jazz-Klängen von „Firecracker“ kam ausgezeichnet an.

„Fly me to the moon“, „Always look on the bright side of life“ und „Bakerstreet“ schwangen sich sanft am historischen Mauerwerk entlang. Das Publikum bejubelte die Künstlerinnen und Künstler mit bärenstarkem 10-Punkte-Applaus und schnappte sich vor dem Heimweg noch das Herbstprogramm der Kulturstiftung.

T. mbue

B. BZ