Mark Twain, Napoleon und Tilly
Große Namen erwarteten die knapp 20 Besucher am 1. Mai bei der ersten öffentlichen Führung in diesem Jahr. Los ging es im Dilsberger Burginnenhof. „Willkommen in der einzigen unzerstörten Burg“, begrüßte Gästeführer Armin Fenner die Gruppe.
Erbaut wurde das wehrfeste Gemäuer 1150 von den Grafen von Lauffen. Dass die Burg heute so aussieht, hängt mit keinem Geringeren als Napoleon zusammen, erzählte Fenner. Denn im Zuge seiner Eroberungen fiel das Gebiet Dilsberg an das Land Baden. Was mit der Burg geschehen sollte, blieb zunächst unklar. Schließlich wurde sie für den Abriss freigegeben und die Bewohner trugen Stein um Stein bis auf das Gewölbe ab. So kamen sie günstig an Baumaterial für ihre Häuser. Kurfürst Ruprecht I. hatte die Stadt Dilsberg 1347 gegründet und die Bürger der Weiler Rainbach und Reitenberg gezwungen, ihre Häuser aufzugeben und nach Dilsberg zu ziehen. Im Gegenzug wurden sie von der Leibeigenschaft befreit und mussten weniger Steuern zahlen.
Wehrhaftes Völkchen verteidigte sich
Gegen die immer wiederkehrenden Angreifer von außen wussten sich die Bewohner tapfer zu wehren. So warfen sie Tillys Soldaten angeblich Bienenkörbe entgegen und verhinderten eine Eroberung. „Die Bienen wussten sofort, wer der Feind ist“, stellte Fenner fest und entlockte den Gästen herzliche Lacher. Anschließend ging es Stufe um Stufe auf die 16 Meter hohe Mantelmauer hinauf. „Das geht ganz schön hoch“, staunte ein Besucher. Doch die grandiose Aussicht war es wert.
Nach Osten blickend, zeichnete Fenner den Lauf des Neckars nach, der eine deutlich erkennbare Schleife um Dilsberg zieht. Das war von Vorteil, denn so ließ sich das Gebiet gut überwachen. Kähne und Flöße wurden damals zudem für ihre Durchfahrt ordentlich zur Kasse gebeten. Vom mittleren Teil der Mauer sahen die Besucher auf die Burg Steinsberg, die Heidelberger Funktürme auf dem Königstuhl und bis Neckarsteinach. Dort gut erkennbar war die Burg Schadeck, das „Schwalbennest“. Auch der Wasserturm gleich neben der Feste fiel ins Auge. „Der ist aber modern“, erklärte Fenner. 1923 erbaut, stellte er den ersten Versuch dar, dauerhaft Wasser in den Ort zu bekommen. Es blieb jedoch zu wenig. Erst 1963 kam es zum Anschluss an die Neckargemünder Wasserversorgung.
Schöne Burgfräulein und unterirdische Gänge
Von der Mantelmauer aus spähte die Gruppe auf die unten liegende Freilichtbühne.
Dort spielt die Burgbühne in diesem Jahr „Robin Hood“. In regelmäßigen Abständen wird aber auch die sagenumwobene „Rose von Dilsberg“ aufgeführt, schwärmte Fenner. In der Geschichte geht es um ein wunderhübsches Burgfräulein, das von zwei Rittern umworben wird. 2025 wird das Stück wieder aufgeführt. Richtung Westen schauten die Gäste auf Neckargemünd und Richtung Heidelberg.
Zurück im Innenhof warfen die Gäste einen Blick auf den „Fratzenstein“ und erfuhren, dass er vermutlich einem Vorbild aus Worms nachempfunden wurde. Wer in den 46 Meter tiefen Burgbrunnen – eigentlich eine Zisterne – schaute, erahnte den dort endenden Brunnenstollen. Mark Twain hörte auf seiner Europareise bei einem Dilsberg-Besuch von einem geheimen Gang. Fasziniert berichtete er darüber bei einem Vortrag in New York. Dem Deutsch-Amerikaner Fritz von Briesen ließ das keine Ruhe: Nach dem Krieg suchte er nach dem verschütteten Gang und legte ihn schließlich frei. Heute kann der 80 Meter lange unterirdische Brunnenstollen besichtigt werden. Ab Mitte Mai ist er geöffnet.
Bis zum 30. September bieten die Gästeführer Rundgänge an. An allen Sonn- und Feiertagen starten die Führungen jeweils um 15 Uhr.
T.+B. mbue